Frühlingssession 2022 des Nationalrats – Sessionsrückblick von David Zuberbühler
Die brutale Eskalation in der Ukraine hat die Welt – und allen voran Europa – in einen Schockzustand versetzt. Der russische Einmarsch in der Ukraine erschüttert die Menschen. Das, was wir uns alle lange nicht vorstellen konnten, ist bittere Realität: ein Krieg mitten in Europa! Und während «Nie wieder Krieg» nur eine Hoffnung war, droht der russische Kriegsherr sogar indirekt mit Atomwaffen. Wir leben nicht in einer friedlichen Welt, wie man das vielleicht eine Zeit lang glaubte und hoffte. Vielmehr zeigt sich jetzt, was die Geschichte immer und immer wieder lehrte: Frieden ist nicht etwas Selbstverständliches, etwas Natürliches, sondern etwas Zerbrechliches, das immer bedroht und gebrochen werden kann.
Sicherheitspolitischer Bericht
Zum Sicherheitspolitischen Bericht, den die Räte jeweils nur zur Kenntnis nehmen können, wird normalerweise lange debattiert, ohne dass es wirklich jemanden interessiert. Aufgrund der dramatischen Ereignisse in Osteuropa bzw. den von Wladimir Putin geschaffenen Fakten erhielt der SIPOL 2021 eine völlig neue Bedeutung. Im Rahmen der Debatte habe ich als Sprecher der SVP-Fraktion insbesondere darauf hingewiesen, dass der Bericht einmal mehr ein unzutreffendes Bild von der Schweizer Armee vermittle, da unsere real existierende Verteidigungsarmee mit 100’000 Soldaten im Ernstfall nicht in der Lage wäre, Land und Leute vor jeglicher Bedrohung von aussen zu schützen. Unsere Verteidigungsarmee wäre im Ernstfall schlicht zu klein und schliesslich bestehen Ausrüstungs- und Bewaffnungslücken sowie fundamentale Rüstungsdefizite.
Munitionsfabrik RUAG Ammotec
Im Rahmen der Debatte zum Sicherheitspolitischen Bericht habe ich auch auf den Verkauf der einstigen Pulvermühle Steffisburg hingewiesen. Auch deshalb, weil der Bundesrat in der Vergangenheit stets die Wichtigkeit einer schweizerischen Munitionsproduktion betonte. Immer wieder hob dieser hervor, dass die Schweiz als neutrales und unabhängiges Land ihre Verteidigungsfähigkeit durch eine schweizerische Munitionsproduktion eigenständig garantieren müsse. Dieser Grundsatz soll nun plötzlich nicht mehr gelten. Die Landesregierung hat den Verkauf der RUAG Ammotec, der letzten Munitionsfabrik der Schweiz, angeordnet. Die entsprechenden Verträge wurden noch vor der Beratung meiner als dringlich eingestuften Interpellation, die eine Sistierung des Verkaufs forderte, unterzeichnet. Eine Sistierung wollte ich deshalb erreichen, weil die geopolitische Lage heute eine andere ist und weil ich der Meinung bin, dass die Schweiz im Krisen- oder Konfliktfall notfalls in der Lage sein muss, sich selbst zu schützen und zu verteidigen. Im Ernstfall – und das zeigt die aktuell verworrene Lage im Ukraine-Konflikt ja geradezu beispielhaft – ist kein Verlass auf irgendwelche Partner und Verbündete, die zur Unterstützung oder Kooperation fähig oder willens wären. «Wie sollen wir unser Land verteidigen, wenn wir keine Munition mehr an Lager haben?» war deshalb eine meiner Fragen an den Bundesrat während der dringlichen Debatte zum Ukraine-Krieg.
Autobahnzubringer Appenzellerland
1955 wurde in Luzern die erste Autobahn der Schweiz eröffnet. 67 Jahre später verfügen die Kantone AR und AI als einzige Kantone der Schweiz nach wie vor über keinen eigenen Autobahnanschluss. Da ich der Meinung bin, dass die Schweiz als föderaler Staat nur dann funktioniert, wenn sie Randregionen nicht vernachlässigt, habe ich den Bundesrat während der Fragestunde gefragt, weshalb er nicht endlich bereit ist, die beiden Appenzeller Kantone angemessen an das nationale Verkehrsnetz anzubinden. Die Antwort des Bundesrates fiel «wenig überraschend» knapp aus. Immerhin anerkennt die Landesregierung, dass insbesondere in Gossau und Herisau Handlungsbedarf besteht.
Beitritt zum UNO-Sicherheitsrat
Die Neutralität war bis heute eines der höchsten Güter unseres Landes. Zum einen sorgte sie dafür, dass sich die Schweiz nicht in fremde Konflikte hineinziehen liess. Zum andern war sie seit mehr als 200 Jahren ein Garant für die innere Sicherheit der Schweiz. Eine Mehrheit des Parlaments sagte trotzdem Ja zum «Beitritt der Schweiz zum UNO-Sicherheitsrat», welcher über Krieg und Frieden entscheidet. Die zweijährige Mitgliedschaft der Schweiz in diesem Gremium der Grossmächte zerstört die Glaubwürdigkeit unserer Neutralität und könnte unser Land in gefährliche Konflikte hineinziehen.
Stimmrechtsalter 16
Der Nationalrat hat mit 99 zu 90 Stimmen bei 3 Enthaltungen einer parlamentarischen Initiative zugestimmt, nach der Schweizern ab 16 Jahren das aktive Wahl- und Stimmrecht gewährt würde. Mit der vorgeschlagenen Lösung könnten Jugendliche zwar über ein Referendum abstimmen, dürften dieses aber nicht unterzeichnen. Ob das sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Der Entwurf geht nun an den Ständerat.
Gletscherinitiative
Die Gletscher-Initiative fordert einen Verzicht auf fossile Brenn- und Treibstoffe wie Öl, Gas, Benzin, Diesel und Kohle ab 2050. Der direkte Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative nimmt das Ziel “Netto-Null” bis 2050 auf, sieht aber im Gegensatz zur Volksinitiative eine Interessenabwägung bei der Verminderung von CO2-Emissionen aus fossilen Brenn- und Treibstoffen vor. Ich habe sowohl die Volksinitiative als auch den direkten Gegenvorschlag abgelehnt, da beide in kürzester Frist zu einer Energiemangellage führen würden. In der grossen Kammer wurde der direkte Gegenentwurf mit 104 zu 67 Stimmen bei 21 Enthaltungen angenommen. Nur eine knappe Mehrheit im Parlament lehnte die extreme Volksinitiative mit 99 zu 89 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab.
Stopfleber
Eine breite Allianz von Rot-Grün und eine Mehrheit der SVP fordern ein Importverbot von tierquälerisch erzeugter Stopfleber. Ein richtiger Entscheid! Weil die armen Tiere durch das Stopfen enorme und unnötige Qualen erleiden, ist die Produktion solcher Gänseleber in der Schweiz und in den meisten europäischen Ländern bereits verboten. Der Bundesrat argumentierte vergeblich, dass die Räte bereits eine obligatorische Deklaration von Stopfleber zugestimmt hatten und in der Folge von einem kompletten Verbot absehen sollten. Bei 119 zu 61 Stimmen bei 9 Enthaltungen nahm die grosse Kammer den Vorstoss an. Bleibt zu hoffen, dass der Ständerat, der die Vorlage als nächstes behandeln wird, gleich entscheiden wird.
Ich reiche Ihre Frage ein
Die Montagssitzungen des Nationalrates der zweiten und dritten Sessionswoche beginnen jeweils mit einer Fragestunde. Behandelt werden aktuelle Fragen, die vom zuständigen Departementschef bzw. der zuständigen Departementschefin kurz beantwortet werden. Gibt es etwas, dass Sie schon immer vom Bundesrat in Erfahrung bringen wollten und das bis anhin noch nie beantwortet wurde? Falls sich Ihre Frage auf eine politische Aktualität bezieht und Sie die Antwort nach entsprechender Suche auch nicht im World-Wide-Web finden, dann haben Sie neu die Möglichkeit, auf meiner Homepage eine solche Frage an mich einzureichen.
David Zuberbühler
Nationalrat AR